Oktoploides Genom entschlüsselt
Forschungsgruppen des MPIPZ arbeiten gemeinsam an einer vollständigen phasengesteuerten Assemblierung des Cardamine chenopodiifolia Genoms auf Chromosomenebene.
Das Genom von C. chenopodiifolia ist octoploid, was bedeutet, dass in jeder Zelle acht Kopien jedes Chromosoms vorliegen. Im Vergleich zu den 10 Chromosomen in den diploiden Zellen von Arabidopsis hat dieses kleine Unkraut somit nicht weniger als 64 Chromosomen in jeder Zelle. In einer kürzlich in Gigabyte veröffentlichten Studie haben Dr. Angela Hay und ihre Kolleg:innen vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln jedes einzelne Chromosom dieser vier Subgenome, aus denen das oktoploide Genom von C. chenopodiifolia besteht, zusammengesetzt.
Polyploidie, die Vervielfachung des gesamten Genoms, ist ein häufiges Merkmal pflanzlicher Genome - auch bei vielen Nutzpflanzen wie Weizen und Kartoffeln. Ein diploider Organismus, wie der Mensch, erbt jeweils eine Kopie jedes Chromosoms von Mutter und Vater. Ein octoploider Organismus hingegen erbt vier Kopien jedes Chromosoms von jedem Elternteil.

Die vielen Kopien jedes Chromosoms erschweren die Rekonstruktion des Genoms und die Bestimmung, welche Chromosomensätze als separate Subgenome zusammengehören. Mohamed Awad löste das erste Problem mit Hilfe von GALA (Gap-free Long_Read Assembly), das von der Forschungsgruppe Gans entwickelt wurde, um Lücken in Genomsequenzen zu vermeiden und eine detaillierte Rekonstruktion des Genomes bietet. Das Ergebnis war ein fast vollständiges Genom auf Chromosomenebene von 597 Mb. Die zweite Herausforderung, jede Chromosomenkopie in ihr korrektes Subgenom zu trennen, wurde mit Hilfe eines „gene tree“-Ansatzes, eine Methode zur Rekonstruktion von phylogenetischen Bäumen von Genen, von Nikita Tikhomirov aus der Forschungsgruppe Novikova gelöst.
Die strukturellen Unterschiede zwischen den Chromosomenkopien zeigten, dass C. chenopodiifolia wahrscheinlich allopolyploid ist, was darauf hindeutet, dass die Art durch Hybridisierung verschiedener Arten entstanden ist. Dies führt zu einer großen genetischen Vielfalt im Genom und ist einer der Gründe, warum Polyploidie oft mit der Entwicklung neuer Merkmale in Verbindung gebracht wird.
Ein solches Merkmal bei C. chenopodiifolia ist die Amphikarpie. Das bedeutet, dass die Pflanze zwei Arten von Früchten trägt, eine oberirdische und eine unterirdische. Diese seltene Eigenschaft bietet jeder Pflanze zwei sehr unterschiedliche Möglichkeiten der Samenverbreitung: Die oberirdischen Samenkapseln sind explosiv und verteilen viele Samen über eine große Fläche, während die unterirdischen Früchte nicht explosiv sind und weniger, größere Samen produzieren, die unter der Erde vergraben werden. Aurélia Emonet von der Forschungsgruppe Hay möchte mehr über diese auffällige Eigenschaft erfahren und hat deshalb C. chenopodiifolia als experimentelles System etabliert.
Dank der Genom-Assemblierung von C. chenopodiifolia können Forschende die Amphikarpie nun gezielter durchleuchten und untersuchen, wie sich diese neue Eigenschaft im Kontext der Allopolyploidie entwickelt hat. Darüber hinaus eröffnen sich auch neue Möglichkeiten, allgemeinere Fragen zur Entstehung von Eigenschaften durch Polyploidie zu erforschen.