Pflanzen erobern das Land – Einblicke in die Evolution
Eine Studie der Gruppe von Hirofumi Nagakami vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtung identifiziert eine Proteinfamilie, die bei der Besiedlung von Pflanzen an Land geholfen haben könnte. Wir haben mit Dr. Nagakami gesprochen, um mehr über diese Studie und die Arbeit seiner Gruppe im Allgemeinen zu erfahren. Dieses Interview wurde aus Gründen der Länge und Verständlichkeit gekürzt.
Lieber Hiro, herzlichen Glückwunsch zu Deiner Veröffentlichung in Current Biology. Die Studie beschäftigt sich mit einer Unterfamilie von Pflanzenproteinen, den SERKs. Was sind die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit?

Vielen Dank! Unsere Studie hat gezeigt, dass ein Protein namens SERK (SOMATIC EMBRYOGENESIS RECEPTOR-LIKE KINASE) mit BIR (BAK1-INTERACTING RECEPTOR-LIKE KINASE) interagiert, und gemeinsam sowohl das Wachstum als auch ihre Abwehr gegen bakterielle Krankheitserreger im Lebermoos Marchantia polymorpha steuert. Dieser Mechanismus ähnelt dem von Blütenpflanzen.
Lebermoose gehören zu den Bryophyten (nichtvaskuläre Pflanzen), die eine Schwesterlinie der vaskulären Pflanzen, einschließlich der Blütenpflanzen, sind. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das SERK-BIR Zusammenspiel nach der Landnahme der Pflanzen und vor der Diversifizierung der Moose und vaskulären Pflanzen, entstanden ist. Die Funktion von SERK-BIR ist somit seit mehr als 450 Millionen Jahren in verschiedenen Pflanzenlinien erhalten geblieben. Das ist von Bedeutung, da es darauf hindeutet, dass das Gleichgewicht zwischen Entwicklung und Immunabwehr eine zentrale Rolle für das Überleben der Pflanzen an Land spielte.
Ich schätze den Einsatz der Erstautorin Cate (Yijia) bei der Fertigstellung dieser Studie sehr. Diese Arbeit wäre ohne die wertvolle Unterstützung unserer internen und externen Teammitglieder, die als Co-autor:innen dieses Artikels aufgeführt sind, nicht möglich gewesen.
Warum sind SERKs so wichtig?
Pflanzen sind in der Regel nicht mobil, sondern passen ihr Wachstum, ihre Entwicklung und ihren Lebenszyklus an, indem sie sowohl Umweltfaktoren als auch interne Signale wahrnehmen. Hierfür besitzen sie eine Vielzahl von Rezeptoren, die sich hauptsächlich auf der Zelloberfläche befinden. In Blütenpflanzen wirken SERKs als Co-Rezeptoren für verschiedene Zelloberflächenrezeptoren und spielen eine zentrale Rolle bei der Regulierung der Entwicklung sowie der Abwehr von Pathogenen. Dies unterstreicht die entscheidende Rolle von SERKs als Signalzentren, die das Gleichgewicht zwischen pflanzlicher Entwicklung und Immunabwehr steuern – ein wesentlicher Faktor für das Überleben von Pflanzen.
Wie passt diese Studie zu den übergeordneten Zielen Deiner Forschung?
Meine Forschungsgruppe untersucht, wie sich Immunsysteme im Verlauf der Evolution der Landpflanzen entweder konserviert oder diversifiziert haben. In unserer letzten Studie konnten wir zeigen, dass die erste Verteidigungslinie der Pflanzen – bekannt als ‚pattern-triggered‘ (mustergesteuerte) Immunabwehr (PTI) – in Bryophyten konserviert ist (https://www.mpipz.mpg.de/pr-hiro-2023-de). Da wir wussten, dass SERKs an der Immunabwehr von Blütenpflanzen beteiligt sind, fragten wir uns, ob sie eine ähnliche Funktion in Bryophyten haben könnten. Dabei kam uns zugute, dass Marchantia polymorpha nur ein einziges SERK besitzt.
Obwohl wir noch nicht mit Gewissheit sagen können, ob SERK eine Rolle in der PTI oder der Immunabwehr von Bryophyten spielt, freuen wir uns sehr über unsere Entdeckung, dass BIR zusammen mit SERK einen Beitrag zur Abwehr bakterieller Krankheitserreger leistet. Diese Erkenntnis könnte ein wichtiger ersten Schritt sein, um die Mechanismen der Immunabwehr in Bryophyten zu entschlüsseln, die sich möglicherweise von denen in Blütenpflanzen unterscheiden.
Welche Fragen Deiner Forschung sind derzeit am spannendsten und interessantesten?
Studien an der wichtigen Modellpflanze Arabidopsis thaliana haben wertvolle Einblicke in die molekularen Mechanismen des pflanzlichen Immunsystems geliefert. Neuere Untersuchungen, die durch umfangreiche Genomdaten und die Etablierung verschiedener Pflanzenmodelle aus unterschiedlichen Linien gestützt werden, deuten jedoch darauf hin, dass Pflanzen aus der Familie der Brassicaceae bestimmte immunrelevante Komponenten auf einzigartige Weise entwickelt haben. Das haben wir auch bei der Untersuchung des Immunsystems von Marchantia polymorpha beobachtet. Besonders spannend finde ich es, mit Hilfe verschiedener Pflanzenmodelle neue immunrelevante Komponenten oder Mechanismen zu entdecken, die aufgrund der dominierenden Nutzung von Arabidopsis thaliana als Modellsystem möglicherweise übersehen wurden.