Pflanzen vertrauen auf ihr Mikrobiom, um sich vor Krankheitserregern zu schützen
Forschungsbericht (importiert) 2019 - MPI für Pflanzenzüchtungsforschung
Pathogene Pilze und Eipilze (Oomyzeten), beides eukaryotische Mikroorganismen, sind für bis zu 10% aller Ernteausfälle verantwortlich. Bislang wurden hauptsächlich Pestizide, Züchtungen resistenter Pflanzen oder Manipulationen des pflanzlichen Immunsystems eingesetzt, um diese Krankheiten einzudämmen. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass bakterielle Lebensgemeinschaften im Bereich der Wurzeln Pflanzen vor eukaryotischen Mikroorganismen schützen können. In Zukunft könnten gezielt zusammengestellte Bakteriengemeinschaften genutzt werden, um Pflanzen vor diesen Krankheitserregern zu schützen.
Das Mikrobiom der Pflanzenwurzeln
Der Boden, auf dem Pflanzen gedeihen, beherbergt eine Vielzahl an verschiedenen Mikroorganismen aus unterschiedlichen Domänen des Lebens, darunter Bakterien und Pilze. Ein Teil dieser Mikroorganismen ist in der Lage, die Wurzeln der Pflanzen zu besiedeln; diese als kommensal bezeichneten Mikroorganismen werden dem Wurzelmikrobiom der Pflanze zugeordnet ([1]; Abb. 1). Nicht nur die Wurzeln, sondern die gesamte Pflanze ist jedoch konstant einem Infektionsrisiko durch nicht-kommensale, krankheitserregende Mikroorganismen ausgesetzt. Als Konsequenz haben Pflanzen ein komplexes Immunsystem ausgebildet, das in sie eindringende Mikroorganismen erkennen und durch unterschiedliche Immunantworten in Schach halten kann [2]. Ob das Immunsystem der Pflanze als alleinige Schutzbarriere ausreicht, war bislang aber nicht bekannt. Wir waren deshalb daran interessiert herauszufinden, inwieweit Interaktionen innerhalb des pflanzlichen Mikrobioms das Wachstum schädlicher Mikroorganismen und die damit die Gesundheit der Pflanze positiv beeinflussen können.
Ein Mikrobiom nach dem Baukastenprinzip
In einer aktuellen Studie haben wir untersucht, wie Interaktionen zwischen verschiedenen Gruppen von Mikroorganismen (Bakterien, Pilzen und Oomyzeten) zu einer Beeinflussung des Mikrobioms der Modellpflanze Arabidopsis thaliana beitragen [3]. In einem ersten Schritt haben wir die Bestandteile des Mikrobioms voneinander isoliert, indem wir Reinkulturen von einzelnen Bakterienarten, Pilzen und Oomyzeten erstellt haben. Auf diese Weise konnten wir untersuchen, wie deren Interaktionen im Bereich der Wurzel die Gesundheit der gesamten Pflanze beeinflussen. Dabei ist es uns sogar gelungen, die am häufigsten auftretenden Mikroorganismen aus den Wurzeln zu isolieren und in Einzelkultur zu bringen.
Der nächste Schritt bestand dann darin, die einzelnen Mikroorganismen wieder in von uns definierten Kombinationen nach einem Baukastenprinzip zusammen mit sterilen Pflanzen wachsen zu lassen. Dabei wurden die Gruppen, also Bakterien, Pilze und Oomyzeten, entweder einzeln oder in Kombination mit anderen hinzugefügt. Damit waren wir in der Lage, die Effekte der einzelnen Kombinationen unter kontrollierten Laborbedingungen zu bestimmen und herauszufinden, wie ein Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Gruppen von Mikroorganismen das Wachstum und das Überleben der Pflanzen beeinflusst.
Das bakterielle Mikrobiom als erste Verteidigungslinie der Pflanze
Wir haben festgestellt, dass das Überleben der Versuchspflanzen in Anwesenheit von potenziell schädlichen Pilzen und Oomyzeten ganz und gar von der Anwesenheit von Bakterien abhängig war. Sie scheinen das Überleben zu sichern, indem sie das Vorkommen einzelner Pilz- und Oomyzetenspezies beeinflussen [3]. Dabei reichte die Anwesenheit einzelner, spezifischer Bakterienspezies aus, um diesen Effekt zu erzeugen, was darauf hindeutet, dass die von ihnen vermittelte Schutzfunktion eine unter Bakterien verbreitete Eigenschaft ist. Zusammengefasst zeigen unsere Experimente, dass das pflanzeneigene Immunsystem nicht ausreicht, um gegen schädliche Pilze und Oomyzeten bestehen zu können, und dass aus Pflanzenwurzeln beziehungsweise aus der Rhizosphäre isolierte Bakterien als eine Erweiterung des Immunsystems betrachtet werden können. Interessanterweise zeigten Pflanzen bei gleichzeitiger Anwesenheit aller drei Gruppen von Mikroorganismen ein besonders gesteigertes Wachstum. Dies verdeutlicht, dass Bakterien und Pilze beziehungsweise Oomyzeten scheinbar sich ergänzende Eigenschaften besitzen und zusammen eine wichtige Rolle im Ökosystem der Pflanze spielen (Abb. 2).
Implikationen für Wissenschaft und Gesellschaft
Wie bereits beschrieben, können selbst gesunde Pflanzen in der Natur potenziell schädliche Pilze und Oomyzeten an ihren Wurzeln beherbergen, umgekehrt aber letzten Endes auch von ihnen profitieren. Dies funktioniert wahrscheinlich aufgrund der zahlreich an den Pflanzenwurzeln vorhandenen Bakterien, die für ein „gesundes“ Gleichgewicht sorgen und damit das Überleben der Pflanze sichern. Diese von Bakterien vermittelte Schutzfunktion wurde nicht nur in und an Pflanzen beobachtet [3, 4], sondern auch bei Bakterien, die den Darm von Mensch und Tier besiedeln [5]. Um diese natürliche Schutzfunktion zu verstehen und nutzbar zu machen, ist es notwendig, die einzelnen Bestandteile oder Spezies des Mikrobioms und deren Wirkungsweise gezielt zu untersuchen. Unsere Forschungsergebnisse haben den Weg zu einem zielgerichteten Design von künstlich zusammen zu führenden Bakteriengemeinschaften aufgezeigt, die dazu in der Lage sind, die Verbreitung von potenziell krankheitserregenden Mikroorganismen zu regulieren und damit die Produktivität von landwirtschaftlich genutzten Pflanzen zu fördern.
Literaturhinweise
Cell 175, 973-983 (2018)
Science 366, 606-612 (2019)
Current Opinion in Microbiology 49, 66-72 (2019)